Neil Young - «Hitchhiker»

// Urs Musfeld

Neil Young hat viele Facetten: da ist einerseits der brachiale Gitarren-Mystiker, der seinem Instrument berstende Sounds entlockt; auf der andern Seite der Songwriter mit der hellen, verletzlichen und klagenden Stimme.

«Es ist nicht das Melodiöse, das technisch Brillante und Gekonnte einer Stimme, aufgrund dessen sie geliebt und bewundert wird. Es geht vielmehr um ihre mit dem Körper geheimnisvoll verbundene, sich den Zuhörerinnen und Zuhörern mitteilende, nur schwer in Worte zu fassende Fleischlichkeit, eine stimmlich und jeweils regellos und einzigartig geformte Einheit von Leib und Seele», schrieb der französische Philosoph und Literaturtheoretiker Roland Barthes in seinen Ausführungen über die «Körnung der Stimme» («Le Grain de la Voix»).

Universell, für alle – so funktionieren viele seiner Lieder. Auch und gerade für die Nachgeborenen. Viele Musiker, die zehn, zwanzig, dreissig, ja vierzig Jahre jünger sind, bewundern den 71-jährigen Kanadier.

1972 landete er mit dem Album «Harvest» seinen grössten kommerziellen Erfolg und avancierte zum Singer/Songwriter-Superstar. 1974 erschienen «On The Beach», 1975 «Tonight's The Night» und «Zuma», 1977 «American Stars'n Bars».

Aus der Versenkung aufgetaucht

Nun ist mit «Hitchhiker» ein neues, altes Solo-Album von Neil Young veröffentlicht worden. Aufnahmen aus dem Jahr 1976, die Jahrzehnte lang als verschollen galten, eingespielt der Reihe nach in einer einzigen Session – nur mit Akustik-Gitarre Mundharmonika und einmal mit Klavier («The old country waltz») - in den Indigo Studios in Malibu. Viele der zehn Songs wie «Pocahontas», «Powderfinger», «Ride my Llama», oder «Captain Kennedy» kennt man schon von späteren Platten, nur eben meistens nicht in dieser spröden, skelettierten Originalversion. Wirklich unveröffentlicht sind zwei Stücke, die skizzenhafte Ballade «Hawaii» und der Trennungs-Song «Give me strenght». Der Titeltrack erlebte erst 2010 auf «Le Noise» seine lärmige Album-Premiere.

Auch vierzig Jahre nach der Entstehung von «Hitchhiker» lohnt sich der Blick zurück, auf einen Musiker der bis heute eine Art Schmerzensmann der Folk- und Rockmusik geblieben ist, manchmal sanft, manchmal wütend.

Urs Musfeld

 Urs Musfeld

SRF «Sounds!»-Musikredaktor von 1980-2017, 
noch immer unterwegs in den unendlichen Weiten des Musik-Dschungels mit dem Ohr für das Besondere.

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