Best of 2022: Alben

// Urs Musfeld

Hier meine Lieblingsalben 2022!

1. Rosalia: «Motomami»

Innerhalb kürzester Zeit hat es die katalanische Sängerin Rosalia von der Flamenco-Newcomerin zum Global Pop-Star geschafft. Ihr drittes Album «Motomami» strotzt vor Querverweisen auf die lateinamerikanische Musikwelt und lebt von Kontrasten: Reggaeton trifft auf Jazz, das rhythmische Klatschen des Flamenco auf scheppernde Industrial Beats, kubanischer Bolero auf Hip Hop der 2000er. Es wird experimentiert und dekonstruiert, um Neues zu schaffen. Zusammengehalten werden die verschiedenen Stimmungen von Rosalias variantenreicher Stimme.

2. Wet Leg: «Wet Leg»

Wet Leg zählen zu den Shooting Stars der britischen Indie-Szene. Ihre erste Single «Chaise longue» ging 2021 direkt viral. Die beiden Schulfreundinnen von der Isle Of Wight beweisen auf ihrem Debut-Album «Wet Leg» ein Gespür für Pop, Post Punk und Indie-Rock und zaubern mühelos Mitsing-Refrains und Mitstampf-Riffs hervor. Die Songs strahlen Witz und Enthusiasmus aus. Sie handeln von Stalker, Online-Hass, Sex oder toxischen Liebesbeziehungen - immer garniert mit einer gehörigen Portion schwarzen Humors.

3. Alabaster DePlume: «Gold»

Alabaster dePlume, Saxofonist, Sänger, Komponist und Dichter, bringt auf dem Album “Gold“ die diversen Seiten seines künstlerischen Charakters wunderbar zum Ausdruck: als wortgewandter Sänger und Songwriter im Stil eines melodiösen Crooners oder als Komponist einfacher, beruhigender Instrumentalmelodien, die zu kollektiven Improvisationen erweitert werden, zu einer Verschmelzung von Jazz, Folk und Pop. In den empathischen und poetischen Stücken des britischen Musikers geht es um Erkenntnis, Liebe und Mut.

4. Panda Bear & Sonic Boom: «Reset»

Wie eine Art Zeitreisekapsel, die zwischen den späten 1950ern/ frühen 1960ern und der Gegenwart pendelt, erscheint das Album «Reset». Ein überschwängliches, retrofuturistisches Kleinod von Panda Bear (Animal Collective) und Sonic Boom (Spacemen 3). Jeder Song kreist um eine Vintage-Idee. Da scheint Eddie Cochran ebenso nah wie The Troggs. Die stimmigen Pop-Harmonien und die reichhaltigen Arrangements erinnern an die Beach Boys. Umrahmt wird diese übermütige Mischung von einer leicht psychedelischen Sound-Kulisse.

5. Sudan Archives: «Natural Brown Prom Queen»

Brittany Parks aka Sudan Archives ist eine Gratwanderin zwischen den Stilen. Auf ihrem zweiten Album «Natural Brown Prom Queen» erschafft sie sich ein eigenes Universum aus R&B, Hip Hop, Pop, westafrikanischen Einflüssen und Elektronik-Sounds. Und auch thematisch deckt die Wahl-Kalifornierin ein grosses Spektrum ab: Früh erlebter Rassismus, Demütigungen und das Heimweh nach ihrer Heimatstadt Cincinnati. Kaum mehr wahrgenommen wird die Geige, ihr eigentliches Instrument, die oft wie Gitarre oder Keyboard klingt.

6. Ezra Collective: «Where I Meant To Be»

Das Ezra Collective zielt weder auf Nostalgie noch auf Jazz-Purismus ab. Der energiegeladene Mix mit Einflüssen aus verschiedenen globalen Sounds wie Dub, Hip Hop oder Afrobeat hat das Quintett zu einem der Aushängeschilder der modernen britischen Jazz-Landschaft gemacht. Das zweite Album «Where I Meant To Be» ist ein pulsierendes Fest des Lebens. Es geht auch um Herkunft und Zugehörigkeit, darum, was es heisst, ein Schwarzer in London zu sein. Die Songs vereinen kühle Zuversicht und strahlende Energie. Zum hybriden, tanzbaren Fusion-Jazz gesellen sich zusätzlich Elemente aus Salsa und Samba.

7. Jockstrap: «I Love You Jennifer B»

Kaum einzuordnen ist die Musik des Londoner Duos Jockstrap. Wie eine Wanderung durch unbetretene Klanglandschaften mutet ihr Debut «I Love You Jennifer B.» an, weniger als Album denn als Sammlung von Songs konzipiert.  Mit Elementen aus Jazz, Electronica, Psychedelic-Folk, Kunstmusik, Synthie-Pop und Acid House schaffen die die Sängerin Georgia Ellery (Geigerin bei der englischen Art Rock-Band Black Country, New Road) und der Elektro-Musiker und Produzent Taylor Skye ein schillerndes Mosaik – exzentrisch und subtil.

8. Alvvays: «Blue Rev»

Getragen vom Geist früherer britischer Indie-Bands gelingt der kanadischen Band Alvvays (vier Frauen, ein Mann) mit «Blue Rev» ein vielschichtiges und detailverliebtes Album. Mit seinem Witz, seiner Fröhlichkeit und seiner Unbekümmertheit setzt es gleichzeitig einen neuen Massstab für dieses Genre. Vierzehn schnörkellose, auf den Punkt gebrachte Songs von maximal dreieinhalb Minuten: Ein Mix aus Power-Pop, Shoegaze und Indie-Rock. «Blue Rev» lebt vom ständigen Gefühl der Nostalgie, hoffnungsvoller Melancholie und Vergänglichkeit.

9. Stromae: «Multitude»

Mit dem Hit «Alors on danse» gelang ihm 2009 der grosse Durchbruch. Auch auf «Multitude» («Vielzahl»), seinem ersten Album seit neun Jahren, verbindet der belgische Sänger Stromae Chanson-Melancholie und Dance-Euphorie. Ein farbenfrohes Werk mit Einflüssen aus China, Südamerika, oder Bulgarien - diesmal mehr getragen von organischen Instrumenten als von treibenden Synthie-Flächen. So vielfältig die Sounds, so vielschichtig auch die Themen. Stromae verarbeitet in den Texten seine Depressionen, die Liebe zu seiner belgischen Mutter und die Geburt seines ersten Kindes.

10. ∑tella: «Up And Away»

War es auf den vorherigen Platten quirliger Synthie-Pop, erkundet die Athener Musikerin ∑tella auf «Up And Away» griechische Musiktraditionen. Besonders angetan ist sie vom Stil des Rembetiko, häufig als «griechischer Blues» bezeichnet. Einen prominenten Platz auf dem Album erhält sein Hauptinstrument, die Bouzouki. Mit grosser Eleganz verbindet ∑tella zusammen mit ihrem englischen Produzenten und Elektro-Musiker Redinho griechische Folkmusik, anatolische Psychedelic und West Coast-Pop. Ein Sound, der an Bands wie Altin Gün oder Khruangbin erinnert.

11. Charlotte Adigéry & Bolis Pupul: «Topical Dancer»

12. Big Thief: «Dragon New Warm Mountain I Believe In You»

13. Weyes Blood: «And In The Darkness, Hearts Aglow»

14. Kevin Morby: «This Is A Photograph»

15. Arctic Monkeys: «The Car»

16. Fontaines D.C.: «Skinty Fia»

17. Phoenix: «Alpha Zulu»

18. Yard Act: «The Overload»

19. Makaya McCraven: «In These Times»

20. Dumbo Tracks: «Dumbo Tracks»

 

Urs Musfeld

 Urs Musfeld

SRF «Sounds!»-Musikredaktor von 1980-2017, 
noch immer unterwegs in den unendlichen Weiten des Musik-Dschungels mit dem Ohr für das Besondere.

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